„Zwischen den vielen Unruheherden, die US-Präsident Trump ausgelöst hat, verschieben sich derzeit die Sorgen der Anleger. Angesichts der laufenden Vorbereitungen für den kommenden US-Staatshaushalt rücken das Budgetdefizit und die rasch wachsende Staatsverschuldung stärker in den Fokus. Über die ersten sieben Monate des Haushaltsjahrs 2025, das am 30. September endet, hat die US-Regierung per Ende April bereits ein Defizit von 1.051 Milliarden US-Dollar angehäuft. Zum selben Zeitpunkt des Haushaltsjahres 2024 lag das Defizit bei „nur“ 855 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg um 23 Prozent entspricht.
Die Ratingagentur Moody’s hatte am 16. Mai den USA die bestmögliche Note Aaa entzogen und die Bonität amerikanischer Staatsanleihen auf die zweithöchste Note Aa1 zurückgestuft. …
In dieser Herabstufung spiegele sich „der Anstieg der Staatsverschuldung und der Zinszahlungsquoten über mehr als ein Jahrzehnt“, hieß es bei Moody’s zur Begründung. Dieser Anstieg liege deutlich über dem Niveau anderer staatlicher Emittenten. Dafür machte Moody’s nicht einen einzigen Präsidenten allein, sondern „aufeinanderfolgende Regierungen und Kongresse“ verantwortlich.
Allerdings steht auch die Trump-Regierung in der Kritik. Die Kreditanalysten von Moody’s gehen nicht davon aus, dass der Haushalt 2026, wie er derzeit diskutiert wird, zu „wesentlichen mehrjährigen Kürzungen der Pflichtausgaben und Defizite“ führen werde. Deshalb erwarten die Analysten auch in den kommenden Jahren einen Anstieg des Haushaltsdefizits, vor allem wegen steigender Sozialausgaben, stagnierender Staatseinnahmen und einer stärkeren Zinsbelastung….
Das Congressional Budget Office (CBO) weist bereits seit Längerem darauf hin, dass – sofern nicht politisch gegengesteuert wird – die öffentliche Verschuldung in den USA absolut und im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in kritische Dimensionen zu steigen droht. Laut CBO-Prognose vom März 2025 würden die „von der Öffentlichkeit gehaltenen Schulden der US-Bundesregierung“ – das ist die in den USA geläufigere Abgrenzung – von rund 100 Prozent des BIP im aktuellen Haushaltsjahr innerhalb von zehn Jahren, bis 2034, auf 117 Prozent steigen (siehe Grafik).¹ Hintergrund dafür ist ein Primärdefizit von jährlich rund 2 Prozent des BIP in Verbindung mit einer Zinsbelastung, die im genannten Zeitraum kontinuierlich von gut 3 Prozent auf annähernd 4,5 Prozent des BIP steigen würde.
Budgetplanung lässt höhere Defizite und Schulden erwarten
Donald Trump war mit zahlreichen Vorschlägen für Steuererleichterungen angetreten, die sich nun auch in den Planungen des Kongresses wiederfinden. Der sogenannte „Reconciliation Process“, ein Vermittlungsverfahren zwischen Senat und Repräsentantenhaus, ist noch in vollem Gange, doch die Zeit drängt. Finanzminister Scott Bessent hat für den Abschluss der Haushaltsgesetzgebung des Kongresses eine Deadline bis zum 4. Juli gesetzt.
Ob sich der Kongress daran hält, ist fraglich. In jedem Fall droht den USA die Zahlungsunfähigkeit, wenn die im Rahmen des Haushaltsgesetzes geplante Anhebung der Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig gelingt. Derzeit „wurstelt“ sich der Finanzminister mit außerordentlichen Maßnahmen durch. Der Spielraum dafür wird aber voraussichtlich im August, spätestens im September, erschöpft sein.
Der kürzlich durch das Repräsentantenhaus verabschiedete „Reconciliation Bill“ gibt einen wichtigen, wenn auch vorläufigen Eindruck von den Haushaltsplänen. In der Summe überwiegen die Mindereinnahmen die Einsparungen bei Weitem. Den Schätzungen des Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB) zufolge, eines auf den Bundeshaushalt spezialisierten Think Tanks, würden Planungen des Reconciliation Bills des Repräsentantenhauses mit einer deutlichen Ausweitung der jährlichen Defizite verbunden sein. Kumuliert über zehn Jahre (Fiskaljahre 2025 bis 2034) würde sich die zusätzliche Verschuldung einschließlich der Zinskosten – im Vergleich zu dem ohnehin ansteigenden Pfad – auf rund 3,3 Billionen US-Dollar (7,8 Prozent des BIP) belaufen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Haushaltspaket, von den Republikanern gerne als „the One Big Beautiful Bill“ bezeichnet, auf bekannte Kniffe zurückgreift, um die ausgewiesenen Defizite im gesetzten Rahmen (House Budget Resolution) zu halten. Dazu zählt vor allem, dass einige Belastungen (insbesondere bei Medicaid) erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen, und dass einige bedeutende Steuererleichterungen auf das Ende des Jahres 2028 befristet sind. Daher steigen die erwarteten Defizite bis 2027/28 rasch an, verringern sich aber in den Folgejahren.
Wahrscheinlich ist, dass auch der nächste Präsidentschaftswahlkampf mit Versprechungen geführt wird, solche Steuererleichterungen nicht entfallen zu lassen. Unterstellt man deshalb, dass auch diese Maßnahmen von Bestand sein werden, steigt nach Berechnungen des CRFB der kumulierte zusätzliche Haushaltsfehlbetrag (inklusive Zinskosten) noch einmal kräftig von 3,3 auf 5,2 Billionen US-Dollar oder 12,3 Prozent des BIP. Unter diesen Annahmen würde die Verschuldung (in Händen der Öffentlichkeit) über den Zeitraum von zehn Jahren vermutlich auf die Marke von 130 Prozent des BIP zusteuern.
Unklar ist, welche Ideen der Senat entwickelt und wie dadurch der Entwurf des Repräsentantenhauses verändert wird. In seinen Instruktionen für den „Reconciliation Process“ hatte der Senat noch deutlich großzügigere Spielräume für die Erhöhung der Verschuldung eingeräumt (5,8 Billionen US-Dollar ohne Zinskosten). Die vielleicht größte Unbekannte ist aber vermutlich die Höhe der Zolleinnahmen. Diese tauchen im oben diskutierten Reconciliation Bill des Repräsentantenhauses bislang nicht auf. Kurzfristig, und vor allem durch Vorzieheffekte bedingt, hat der amerikanische Fiskus seine Zolleinnahmen in diesem Jahr kräftig ausweiten können. Schätzungen der möglichen Zolleinnahmen über den zehnjährigen Zeithorizont der Budgetplanung gehen weit auseinander. Zum einen ist das Niveau der Zollsätze unsicher, zum anderen die Reaktionen der Nachfrage. Je aggressiver die Zölle, desto empfindlicher könnte die Reaktion der Nachfrage auf diese zusätzliche Besteuerung der Verbraucher ausfallen. Auf Grundlage der „reziproken Zölle“ vom 2. April schätzt das Committee for a Responsible Federal Budget die Mehreinnahmen im laufenden Jahr auf rund 100 Mrd. US-Dollar. Über zehn Jahre kommt das CRFB auf 1,6 bis 1,8 Billionen US-Dollar. Dies wäre ein relevanter Beitrag zur Verbesserung des Bundeshaushalts, dürfte den beschleunigten Anstieg der Verschuldung aber nur etwas weniger steil ausfallen lassen.
Anleihemärkte sind vorsichtiger
An den Anleihemärkten ist die Unsicherheit entsprechend groß. Zur Ungewissheit über die Finanzierung des Haushalts 2026 kam nun die Herabstufung der amerikanischen Bonität durch die letzte der drei großen Ratingagenturen hinzu. Die Rendite langfristiger US-Staatsanleihen hat in den vergangenen Tagen nach oben tendiert, während der Kurs des US-Dollar nachgegeben hat. Die Rendite dreißigjähriger US-Staatsanleihen ist in dieser Woche über die Marke von 5 Prozent auf den höchsten Stand seit 18 Monaten gestiegen. Allein die US-Aktienmärkte haben sich vom Downgrading durch Moody’s bisher wenig beeindruckt gezeigt.
Die Haushaltsdebatte hat in den USA erst begonnen. Sie dürfte in den kommenden Wochen an Fahrt gewinnen und an den Märkten zunehmend eine Rolle spielen. Dabei dürfte auch die Geldpolitik wieder stärker in den Blickpunkt rücken. Offiziell ist die Notenbank Fed bisher nicht von ihrer Haltung abgekehrt, dass sich die Leitzinsen in einem Abwärtstrend befinden. Doch angesichts der vielen Unsicherheiten in der amerikanischen Politik sowie der geopolitischen Risiken, die auf die US-Konjunktur einwirken könnten, wird die Frage an Bedeutung gewinnen, ob die Fed nicht doch mit weiteren Zinssenkungen erst einmal warten könnte, bis die Lage klarer ist. Auch wenn sich an Wall Street weiterhin Unternehmen mit überzeugenden Geschäftsmodellen bei aus unserer Sicht nun niedrigeren Bewertungen finden lassen, gehen wir an den amerikanischen Märkten angesichts dieser ungemütlichen Gemengelage derzeit nur mit erhöhter Vorsicht vor.“
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