Wirtschaft

Wahlen werden für die britischen Finanzmärkte zur Nagelprobe

Nach Ansicht des britischen Vermögensverwalters LGIM kommen mit der neuen Regierung auf die Volkswirtschaft der Insel Belastungen zu.Der Ausgang der anstehenden Wahlen für das britische Unterhaus am 7. Mai ist den laufenden Umfragen zufolge derzeit offen. Je nach Parteienkonstellation in der kommenden britischen Regierung wird das Ergebnis der Abstimmung jedoch erhebliche Auswirkungen für die Investoren und die Perspektiven der britischen Volkswirtschaft haben. Zu dieser Einschätzung kommen die Experten des britischen Asset-Managers Legal & General Investment Management (LGIM). „Historisch gesehen ist der Einfluss von Wahlen und anderen politischen Ereignisse überraschend gering“, fasst Christopher Jeffery, Anlagestratege bei LGIM, das Ergebnis eigener Untersuchungen zusammen.

„Wir haben auf Basis unserer Daten nur vergleichsweise schwach ausgeprägte Muster gefunden“, sagt Jeffery, „und es spricht wenig dafür, dass die Volatilität rund um den Wahltag außergewöhnlich stark zunimmt. Was wir allerdings sagen können, ist, dass britische Staatsanleihen vor dem Wahltag leicht schwächer tendieren, während das Pfund typischerweise eher zulegt. Aktien verhalten sich zwiespältig.“ Bei Betrachtung längerer Zeiträume fallen diese Bewegungen Jeffery zufolge im Zuge der allgemeinen Schwankungen an den Finanzmärkten jedoch kaum auf.

Allerdings ist es fraglich, ob sich die britischen Finanzmärkte dieses Mal ähnlich verhalten wie in der Vergangenheit. „Diese Wahlen sind sicherlich nicht als ‚normal‘ anzusehen“, sagt Jefferys Kollege Willem Klijnstra. Bisherige Umfragen gehen davon aus, dass es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden großen Parteien, den Konservativen und der Labour-Partei, kommt. „Anders als in der Vergangenheit wird die Bedeutung der kleineren Parteien im Parlament – der britischen Grünen, UKIP und SNP – wahrscheinlich zunehmen und Großbritannien damit in eine Phase größerer politischer Pluralität kommen“, prognostiziert LGIM-Stratege Klijnstra. „Das macht es zusätzlich schwierig, den Wahlausgang zu kalkulieren.“

Auf die Agenda einer neuen Regierung, die möglicherweise aus einer Koalition besteht, wird sich die Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse mit Sicherheit auswirken. „Vordergründig sieht es so aus, als ginge es aus Sicht der Finanzmärkte um die Wahl zwischen zwei Übeln“, fasst Jeffery die Ausgangslage zusammen. „Eine von den Konservativen geführte Regierung könnte Großbritannien näher an einen Austritt aus der EU bringen, eine Labour-Regierung die fiskalische Disziplin vernachlässigen und marktfreundliche Reformen verzögern.“ Beide Ziele hätten den LGIM-Experten zufolge erhebliche Rückkopplungen auf die britische Volkswirtschaft und die heimischen Finanzmärkte. „Ohne das Pro und Contra einer EU-Mitgliedschaft erörtern zu wollen: Angesichts des klaffenden Defizits in der Kapitalbilanz ist Großbritannien auf Direktinvestitionen und Anlagegelder ausländischer Investoren dringend angewiesen, um sein Wohlstandsniveau zu halten“, erklärt Jeffery. „Der Zustrom dieser Gelder steht ernsthaft infrage, wenn die EU-Mitgliedschaft der Insel ernsthaft diskutiert wird.“

Auf der anderen Seite steht bei einem Regierungswechsel mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Paradigmenwechsel bei den steuerlichen und regulativen Rahmenbedingungen auf der Insel bevor. So hat die Labour-Partei bereits ihre Absicht bekundet, neue Steuern einzuführen und gesetzliche Regeln zu verschärfen, wenn sie in die Regierungsverantwortung kommt. Dazu gehören unter anderem die Einführung einer Immobiliensteuer, eine Einschränkung der Null-Stunden-Verträge, eine Regulierung des Energiemarktes und Änderungen im Mietrecht. „Wir beurteilen diese Vorhaben in keinster Weise“, betont LGIM-Experte Klijnstra. „Es ist jedoch offensichtlich, dass sie zum einen den Unternehmenssektor zusätzlich belasten – was wiederum negative Rückkopplungen auf den Aktien- und Anleihenmarkt haben wird. Zum anderen dürfte die Anziehungskraft Großbritanniens auf ausländisches Kapital geschwächt werden, was in der Folge das Pfund unter Druck bringt.“

Gleichwohl mahnen die beiden Experten Investoren zur Besonnenheit. „Der mediale Hype und die öffentliche Wahrnehmung rund um die anstehenden Wahlen ist riesengroß. Das verzerrt mitunter die Perspektive und gibt einzelnen Themen ein größeres Gewicht als sie es eigentlich haben“, so Klijnstra. „Wenn das Spektakel erst einmal vorbei ist, werden die Finanzmärkte ihren Blick wieder auf die fundamentalen Daten richten, die wirklich von Bedeutung sind.“

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