Man mag erstaunt sein, dass die griechische Bevölkerung ihrer Regierung bei dem Referendum den Rücken so deutlich gestärkt hat und die Reformvorschläge der „Institutionen“ abgelehnt hat. Genau-so erstaunt konnte man sein, dass es zu dem Referendum überhaupt kam, obwohl die Positionen der griechischen Regierung und der Institutionen gar nicht mehr so weit von einander entfernt lagen.
In einem Punkt gab es allerdings unüberbrückbare Unterschiede: Die Koordination von Wirtschaftspolitik, genau wie die Teilnahme an einer Währungsunion und erst Recht der Antrag für ein Anpassungsprogramm mit den Institutionen führt zu einem gewißen Souveränitätsverzicht eines Landes. Dieser limitiert die politischen Optionen einer Regierung, ganz egal mit welcher Mehrheit sie in ihrem Land auch gewählt sein mag. Die Möglichkeiten für eine unabhängige Regierungspolitik sind zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass Vorgängerregierungen internationale Vereinbarungen im Namen des Landes abgeschlossen haben, an die auch jede neue Regierung gebunden ist.
Die von den letzten Regierungen beschloßenen Vereinbarungen mit den internationalen Geldgebern wie die des Anpaßungsprogramms stellen daher eine genauso verbindliche Restriktion für die griechische Regierung dar, wie die Rückzahlung von Staatsschulden, die von früheren Regierungen aufgenommen wurden. Diese internationalen Vereinbarungen und Konventionen zu akzeptieren, stellte die griechische Regierung als Erpressung, als undemokratisch und würdelos dar. Realistischer Weise hätte sie stattdessen ihre Wahlversprechungen auf Basis bestehender Restriktionen aufbauen müßen. Es ist anders gekommen und nun auch nicht mehr zu ändern.
Klar ist jedoch, dass das griechische Volk und seine Regierung keinen Souveränitätsverzicht möchte. Damit sind auch die Außichten auf die Einigung auf ein Hilfsprogramm, das die Liquidität des griechischen Staates und seiner Banken sichert, auf ein sehr geringes Maß gesunken. Die griechische Wirtschaft wird in eine noch tiefere Rezeßion abgleiten, was mit zunehmenden Konkursen einhergehen wird. Diese werden die Solvenz der Banken weiter belasten. Ohne Außicht auf ein Anpassungs-Programm mit den Institutionen und bei schlechteren ökonomischen Rahmenbedingungen, müsste die EZB konsequenterweise die Notfallliquidität für die griechischen Banken weiter einschränken. Aber selbst bei konstanter Liquiditätsversorgung ist es nur eine Frage der Zeit, bis den Banken die Liquidität ausgeht. Und ob der Staat seine Zahlungsverpflichtungen aus eigenen Mitteln lange bestreiten kann, ist ebenfalls zweifelhaft. Ein Grexit wird so immer wahrscheinlicher – über die Zeit hat er aber auch seinen Schrecken verloren.
Von KARSTEN JUNIUS, Chief Economist, Bank J. Safra Sarasin AG