Wirtschaft

„Alle Grenzen gesprengt: Ist das Quantitative Easing am Ende?“

Ein Kommentar von Philip Saunders, Portfoliomanager, Investec Diversified Growth Fund Sechs Jahre dauert die wirtschaftliche Erholungsphase der Industrienationen inzwischen schon an. Dennoch befinden sich die Zinssätze immer noch auf Krisenniveau – und das bei schwachem Wachstum und hohen Produktionslücken, also unzureichender Auslastung der volkswirtschaftlichen Ressourcen.

Ursprünglich waren Politiker davon ausgegangen, dass extrem niedrige Zinssätze in Verbindung mit unorthodoxen geldpolitischen Maßnahmen früher oder später einen nachhaltigen Wachstumszyklus einleiten, die anziehende Inflation die Gesamtschuldenlast mindern und ihnen unpopuläre Haushaltsbeschlüsse erspart bleiben würden. Tatsächlich ist die Bilanz der als Quantitative Easing (QE) bekannten geldpolitischen Lockerung und der Niedrigzinspolitik der Notenbanken ausgesprochen durchwachsen. In der Politik breitet sich zunehmend Skepsis darüber aus, ob über Geldpolitik allein die Konjunkturprobleme zu lösen sind.

Zweifellos hatten die QE-Maßnahmen ihre Berechtigung, um das starke Schrumpfen der Geldmenge im Nachgang der globalen Finanzkrise auszugleichen. Überdies spielten sie eine Rolle bei der gezielten Schwächung von Währungen, zunächst im Fall des US-Dollar, später beim Yen und schließlich beim Euro. Dies half dem jeweils betroffenen Wirtschaftsraum – wenn auch zugegebenermaßen auf Kosten der jeweils anderen. Die konjunkturelle Erholung fiel jedoch – um es vorsichtig zu formulieren – bislang schleppend aus, während die Nebenwirkungen zunehmend außer Kontrolle geraten. Denn die extrem niedrigen Zinsen sorgten für einen kräftigen Aufschwung vor allem der Finanz- und Immobilienmärkte, führten zu einer erheblichen Fehlallokation von Kapital und verstärkten dadurch das bereits bestehende soziale Ungleichgewicht spürbar. Sparer sind vor die Wahl gestellt, auf riskantere Anlagen zu setzen oder die Aufzehrung ihrer Vermögenswerte zum Wohl der Allgemeinheit hinzunehmen. Die Märkte warten mittlerweile wie Abhängige auf die nächste QE-Spritze. Sollten sie einmal nicht mehr bekommen, was sie benötigen, droht ein deflationärer Kollaps.

Der Aufschwung der Schwellenländer, der zum Teil das Ergebnis einer verfehlten Geldpolitik der Industriestaaten in den Jahren 2002 bis 2008 darstellt, hat sich durch die extremen Niedrigzinsen nach der globalen Finanzkrise zweifellos beschleunigt und zu einem noch markanteren Kreditwachstum dieser Volkswirtschaften geführt. Das so genannte Absatzfinanzierungsmodell (bei dem ein Unternehmen seine Kunden Produkte auf Kredit kaufen lässt) verkehrte sich in sein Gegenteil, nämlich ein Modell der Herstellerfinanzierung. Im Ergebnis hat dies zur gegenwärtigen Krise der Emerging Markets geführt – und zu neuerlichen Ängsten vor Deflation und einer globalen Rezession.

Schafft das Quantitative Easing also mehr Probleme als es löst? Nach wie vor sind die Notenbanken auf ihre Inflationsziele fixiert und kaum bereit, zu normalen Leitzinsen zurückzukehren. Abgesehen von der Institutionalisierung zahlreicher abwegiger Anreize bietet auch das Fehlen normaler Zinsstrukturkurven den Finanzinstituten wenig Anreiz zur Kreditvergabe, was die von den gleichen Notenbanken aufgehäuften Reserven verdeutlichen. Große Unternehmen aus den Industriestaaten konzentrieren sich weiterhin vor allem auf finanztechnische Akrobatik, indem sie quasi zum Nulltarif die eigenen Aktien aufkaufen statt ins eigene Geschäft zu investieren. Das dumpfe Unbehagen, dass der gegenwärtige Zustand nicht „normal“ ist, verstärkt die allgemeine Risikoaversion noch. Die Zentralbanken sind jedoch an ihre Mandate gebunden und werden daher weiterhin eine um „Stabilisierung“ bemühte Geldpolitik verfolgen, die das genaue Gegenteil bewirkt.

Das ist das Gesetz unbeabsichtigter Folgen im großen Stil. Die Befürchtung liegt nahe, die derzeitige „Mauer der Angst“ könnte zum Dauerzustand werden und zu erhöhter Volatilität führen, ohne für Wachstum zu sorgen. Immerhin jedoch wird den Politikern allmählich klar, dass sie wesentlich mehr Initiative zeigen müssen, um ihre Wachstumsziele umzusetzen. Japan ist ein gutes Beispiel dafür. Just in dem Moment, wo der Rückhalt für „Abenomics“ unter den Marktakteuren zu schwinden drohte, deutet sich ein Wandel an. Das lang erwartete Trans-Pacific-Partnership-Handelsabkommen (TPP) könnte den Weg für eine überfällige Reform des japanischen Agrarsektors ebnen. Neben der Reform der Angebotsseite scheint sich auch eine kräftige Erhöhung der Infrastrukturausgaben anzubahnen und die Fiskalpolitik endlich für spürbare Entspannung zu sorgen.

Besser spät als nie.

(Bild: Angelina Ströbel, pixelio)

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