Versicherungen

Gefälligkeitskrankschreibungen: Ein unterschätztes Risiko für die private Absicherung

Die Ausstellung von Gefälligkeitskrankschreibungen erscheint vielen als harmlose Praxis, doch sie birgt erhebliche Risiken – vor allem für die private Arbeitskraftabsicherung. Mit der Einführung der elektronischen Patienten akte (ePA) ab 2025 wird das Problem noch gravierender: Jede Krankschreibung und Diagnose bleibt dauerhaft gespeichert und kann sich langfristig negativ auf den Versicherungsschutz auswirken. Diese Entwicklung macht es umso wichtiger, sich der möglichen Konsequenzen bewusst zu sein.

DAUERHAFTE EINTRÄGE IN DER KRANKENAKTE

Die ePA speichert systematisch alle medizinischen Daten, darunter Diagnosen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Medikamentenverschreibungen. Wer sich aus Gefälligkeit krankschreiben lässt und dabei eine ernsthafte Erkrankung dokumentiert wird, riskiert, dass diese falschen Einträge seine Versicherbarkeit nachhaltig beeinflussen. Spätere Korrekturen sind schwierig und unterliegen strengen Dokumentationspflichten.

Besonders problematisch sind schwer objektivierbare Diagnosen wie psychische Erkrankungen oder chronische Rückenschmerzen. Diese können bei späteren Versicherungsanträgen als Risikofaktoren eingestuft werden, selbst wenn sie nie ernsthaft vorlagen. Dadurch kann sich der Zugang zu bestimmten Versicherungstarifen erheblich erschweren.

SCHWIERIGKEITEN BEI DER VERSICHERUNGSAUFNAHME

Private Versicherungen führen bei Abschluss einer Berufsunfähigkeits- oder Grundunfähigkeitsversicherung eine umfassende Risikoprüfung durch. Die Krankenhistorie der vergangenen fünf bis zehn Jahre spielt dabei eine zentrale Rolle. Da die Versicherer nicht erkennen können, ob eine Diagnose auf einer tatsächlichen Erkrankung oder einer Gefälligkeitskrankschreibung beruht, wird jede dokumentierte Krankheit als potenzielles Risiko gewertet. Dies kann zu folgenden Einschränkungen führen:

• Risikozuschläge auf die Versicherungsprämie
• Ausschluss bestimmter Erkrankungen vom Versicherungsschutz
• Verkürzung der Leistungsdauer
• Ablehnung des Antrags oder Einschränkungen bei der Tarifwahl

Besonders problematisch ist dies für Selbstständige, die auf eine private Absicherung meist noch mehr angewiesen sind. Wer beispielsweise eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, könnte aufgrund eines vermeintlichen Risikos schlechtere Konditionen oder gar eine Ablehnung erhalten.

KONSEQUENZEN IM LEISTUNGSFALL

Noch gravierender sind die Folgen im Leistungsfall. Muss eine beispielsweise Berufsunfähigkeits- oder Grundfähigkeitsversicherung in Anspruch genommen werden, prüfen die Versicherer die gesamte Krankenakte. Werden hierbei nicht angegebene Vorerkrankungen entdeckt – auch wenn sie auf Gefälligkeitskrankschreibungen basierten – kann dies dazu führen, dass:

• der Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten wird,
• die Versicherung vom Vertrag zurücktritt,
• Leistungen verweigert oder bereits gezahlte Beträge zurückgefordert werden.

Ein Urteil des OLG Braunschweig zeigt, dass Versicherungen auch nach zehn Jahren noch berechtigt sind, Leistungen zu verweigern, wenn falsche Angaben gemacht wurden. Dabei ist nicht nur der Versicherte betroffen: Auch Arbeitgeber, die in betriebliche Vorsorgemodelle investieren, können durch falsche Diagnosen langfristig Nachteile haben.

DATENSCHUTZ UND ZUGRIFFSMÖGLICHKEITEN DER VERSICHERER

Private Versicherungen haben keinen direkten Zugriff auf die ePA, können jedoch über eine Schweigepflichtentbindung medizinische Unterlagen anfordern. Dadurch erhalten sie detaillierte Einblicke in dokumentierte Diagnosen. Falsche oder übertriebene Diagnosen können somit auch Jahre später noch nachteilige Folgen haben. Zudem gibt es keine einfache Möglichkeit, unzutreffende Diagnosen aus der Akte entfernen zu lassen.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass zukünftige Versicherungsprodukte verstärkt auf digitale Gesundheitsdaten zugreifen könnten. Falls sich dieser Trend verstärkt, könnten Fehl- oder Gefälligkeitsdiagnosen noch schwerer wiegen.

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR VERSICHERTE

Um Risiken zu vermeiden, sollten Versicherte:

1. Auf Gefälligkeitskrankschreibungen verzichten
2. Regelmäßig ihre Patientenakte überprüfen
3. Ihre Krankengeschichte korrekt dokumentieren
4. Mit Arzten offen über Diagnosen sprechen
5. Bei fehlerhaften Einträgen frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen

Zudem sollten sich Interessierte frühzeitig um eine private Absicherung kümmern. Wer bereits in jungen Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine private Krankenzusatzversicherung abschließt, kann von besseren Konditionen profitieren und sich gegen spätere Überraschungen absichern.

FAZIT

Die vermeintlich harmlose Gefälligkeitskrankschreibung kann weitreichende finanzielle und versicherungstechnische Folgen haben. Mit der ePA wird medizinische Dokumentation transparenter, aber auch starrer. Wer seine private Arbeitskraftabsicherung nicht gefährden will, sollte sorgfältig darauf achten, dass seine Krankenakte keine fehlerhaften oder unnötigen Einträge enthält. Eine verantwortungsvolle Handhabung von Krankschreibungen ist daher nicht nur eine Frage der Ethik, sondern auch der eigenen finanziellen Zukunftssicherung.

Da die digitale Vernetzung im Gesundheitswesen weiter voranschreitet, sind Sorgfalt und Bewusstsein im Umgang mit Gesundheitsdaten wichtiger denn je. Nur wer sich frühzeitig informiert und verantwortungsvoll handelt, kann langfristig von optimalem Versicherungsschutz profitieren.

NICOLE RODE

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