Diese Phase beim Ölpreis könnte bald enden und in eine neue Preissteigerung münden. Zu dieser Erkenntnis kommt Cornel Bruhin, Portfoliomanager im Team Emerging Markets/Corporate Debt bei MainFirst. Die vorrangigen Gründe sieht er in den USA, wo sich die Ölförderung absehbar verteuere und die Schuldenkrise die Märkte unter Druck setze:
Schwindende Produktionsreserven bei Schieferöl
Die unkonventionelle Ölproduktion in den USA, bekannt als „Shale Oil“, hat in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Stabilisierung der Weltölpreise beigetragen. Viele der besten Fördergebiete scheinen aber inzwischen ausgebeutet zu sein. Produzenten müssen zunehmend auf zweit- und drittklassige Felder ausweichen, was zu höheren Förderkosten und schnelleren Erschöpfungsraten führt. Schon heute zögern viele Unternehmen, ihre Förderung auszubauen, da die Wirtschaftlichkeit sinkt. Damit könnte der Markt auf einen strukturellen Angebotsrückgang zusteuern, was mittelfristig zu steigenden Preisen führen dürfte.
Disziplinierte OPEC-Strategie bei gleichzeitig schrumpfenden Reserven
Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) verhält sich bislang bemerkenswert diszipliniert: Trotz Diskussionen über ein angebliches Überangebot schöpft sie ihre möglichen Reservekapazitäten bewusst nicht aus. Gleichzeitig befinden sich die weltweiten Rohölvorräte auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren. Diese OPEC-Strategie aus knappen Beständen und kontrolliertem Angebot stützt die Preise und könnte bei einer anziehenden Nachfrage rasch zu Engpässen führen.
Reindustrialisierung und steigende Energienachfrage in den USA
Geht es nach US-Präsident Donald Trump, soll in den USA schon bald die Reindustrialisierung boomen, getragen von günstiger Energie und politischer Förderung. Besonders stromintensive Branchen und die fortschreitende Digitalisierung, etwa durch den steigenden Strombedarf der Künstlichen Intelligenz, treiben die Energienachfrage zusätzlich an. Parallel steigen die Exportmengen von Flüssiggas (LNG), während die inländische Gasproduktion stagniert. Diese Entwicklung verknappt das Angebot auf dem Heimatmarkt, was mittel- bis langfristig auch den Ölpreis in die Höhe treiben dürfte.
Parallelen zu den 1970er-Jahren: der drohende Produktionsrückgang
Die aktuelle Situation erinnert an die 1970er-Jahre, als US-Präsident Richard Nixon die Ausweitung der Ölproduktion forderte, doch die Förderung brach trotz intensiver Bohraktivität damals ein. Damals führten erschöpfte Lagerstätten und steigende Kosten zu einer anhaltenden Rohstoffpreisrallye. Heute deuten ähnliche strukturelle Trends darauf hin, dass ein erneuter langfristiger Rückgang der Produktion unvermeidlich ist – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Ölpreise weltweit.
Das zinspolitische Dilemma der US-Notenbank belastet die Märkte
Während in den 1970er-Jahren die Zinsen wegen höherer Rohstoffpreise stiegen, spricht heute die wirtschaftliche Lage eher für Zinssenkungen. Die hohe US-Staatsverschuldung zwingt das Finanzministerium, laufend neue Käufer für Staatsanleihen zu finden. Zugleich fordern schwache Konjunkturdaten Zinssenkungen, obwohl die Inflation für eine restriktive Politik spricht. Kreditausfälle bei Autokrediten und Kreditkarten haben das Niveau von 2008 erreicht, zudem lasten gewerbliche Immobilienkredite in Milliardenhöhe auf den Bankbilanzen. Dieses Spannungsfeld erhöht die Unsicherheit an den Finanz- und Rohstoffmärkten.