Investmentfonds

„Ölpreisverfall erhöht Ausfallrisiko von EM-High-Yield-Bonds“

Die Revolution der US-Schieferölproduktion hat in den vergangenen Jahren zu einem massiven Anstieg des Ölangebots und einer entsprechenden Preisentwicklung geführt. „Die aktuelle Ölpreisentwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf die Anleihenmärkte der Schwellenländer“, sagt Jonathan Mann, Head of EM Debt der Fondsgesellschaft F&C Investments in London. Der Preisschock könnte bei den Ölproduzenten, die häufig Schwellenländer sind und etwa ein Drittel des EMBIG-Index ausmachen, zu Verwerfungen führen.

„Nirgendwo sind die Auswirkungen so asymmetrisch verteilt und schwerwiegend wie in den Schwellenländern, denn sie sind weniger diversifiziert und reagieren entsprechend stärker auf Rohstoffpreisschocks“, sagt Mann. „Die großen Verlierer des Preisrückgangs sind jene Exporteure, die unter niedrigerem Wachstum und einem sich verschlechternden Außenbeitrag, also sinkenden Exportüberschüssen, leiden“, so der Experte weiter. Am stärksten gelitten haben unter anderem Malaysia, Venezuela, Russland, Nigeria und Kasachstan, denn bei allen diesen Staaten ist Öl für die Wirtschaftsleistung und die Staatseinnahmen äußerst wichtig. Dass die Sovereign-Spreads des J.P. Morgan EMBIG von 270 Basispunkten im Juni 2014 auf 410 Basispunkte Ende März 2015 gestiegen sind, sei eine direkte Folge der Ölpreisentwicklung. Bei den EM-Unternehmensanleihen ist die Lage ähnlich: „Der Preisrückgang beeinträchtigt vermutlich die Rentabilität vieler Öl- und Gasproduzenten, aber die Bilanzen sind in der Regel solide genug, um dem Druck standzuhalten. Im Hochzinssegment gilt das allerdings nur eingeschränkt, weshalb nachhaltig niedrige Ölpreise zu Ausfällen führen können“, sagt Mann.

Zentralbanken der Ölexporteure stehen vor einem Dilemma

Wesentlichen Einfluss haben auch die Reaktionen der Zentralbanken. „Zwar profitieren die Schwellenländer von der sinkenden allgemeinen Inflationsrate, der größte Teil der Anpassung hat sich aber bisher bei den Wechselkursen bemerkbar gemacht“, sagt Mann. So ist der J.P. Morgan Emerging Market Currency Index seit Juni 2014 insgesamt um etwa 15 Prozent gefallen, wobei die Ölexporteure besonders stark nachgaben. „Das ist problematisch, weil diese Länder ihre zum Teil erheblichen Auslandsschulden dadurch nicht mehr so leicht bedienen können. Die Zentralbanken stehen also vor einem Dilemma, und die Versuchung, die Währungsschwankungen durch eine Verknappung der inländischen Liquidität abzufedern oder dies zumindest zu versuchen, ist groß. Allerdings leidet in diesem Fall die heimische Wirtschaft“, erklärt der Experte.

Ölimportierende Schwellenländer profitieren stärker als Industriestaaten

Die Hauptprofiteure des Ölpreisrückgangs hingegen sind ölimportierende Länder wie China, Indien, Indonesien und die Türkei. „Die Importeure unter den Schwellenländern profitieren stärker als ihre Pendants unter den Industriestaaten, weil die Produktion in diesen Ländern deutlich energieintensiver ist“, betont Mann. Das zeigt der Anteil des Ölverbrauchs am Bruttoinlandsprodukt: In den USA liegt er bei 3,8 Prozent, in China bei 5,4 Prozent und in Indien bei 7,5 Prozent. Der reale Einkommenseffekt des Vermögenstransfers stimuliert den Konsum und die Investitionen, und die Verbesserung der Terms of Trade lässt die Leistungsbilanzsalden schrumpfen, während einige der Importeure dank der rückläufigen Gesamtinflation ihre Geldpolitik lockern konnten. Entsprechend haben sich diese Länder im Zuge des sinkenden Ölpreises überdurchschnittlich gut entwickelt.

Angebotseffekte überlagern steigende Öl-Nachfrage

Die hohen Angebotsmengen und die schwächere Nachfrage während der Sommermonate ließen den Kurs von Brent-Rohöl, das im Juni zuletzt 122 US-Dollar pro Barrel erreicht hatte, bis Ende Oktober auf etwa 90 US-Dollar/Barrel fallen. Als sich dann im November abzeichnete, dass Saudi-Arabien seine Produktion nicht wie bisher preisabhängig gestalten würde, antizipierten die Marktteilnehmer eine fundamentale Verschiebung im künftigen Angebots- und Preisgefüge, und die Kurse brachen bis Januar auf 50 US-Dollar/Barrel ein. Zwar stieg die Ölnachfrage im vierten Quartal wegen des chinesischen und indischen Bedarfs sowie des höheren Dieselverbrauchs in China, aber die Angebotseffekte waren stärker.

Ölpreis könnte sich bei 80 US-Dollar/Barrel einpendeln, vorerst dominieren Abwärtsrisiken

Anfang des Jahres erholten sich die Preise angesichts der sinkenden Zahl der Bohranlagen und Investitionskürzungen in den USA ein wenig und bewegen sich seitdem in einem Korridor zwischen 53 und 63 US-Dollar pro Barrel. „Die längerfristigen Forward-Kurse, ein gutes Indiz für die tatsächlichen Bedürfnisse der Industrie, signalisieren ein mögliches Gleichgewicht bei 80 US-Dollar pro Barrel. Bis auf weiteres allerdings dominieren die Abwärtsrisiken“, erwartet Mann.

Für das kurzfristige Ölangebot sind zwei Faktoren maßgeblich:

1) Zwar sind die Bohranlagen zahlenmäßig rückläufig, aber dafür ist die Produktivität sukzessive gestiegen, und in den USA wird kontinuierlich mehr produziert. Die Produktivität bestehender Bohrlöcher hat sich verbessert, außerdem dürfte im Jahr 2015 die Zahl der Baustopps für noch nicht fertiggestellte, vergleichsweise unproduktive Förderanlagen steigen. Entsprechend nimmt die Produktion stärker zu, als rein zahlenmäßig zu vermuten wäre. Den Saudis ging es zumindest teilweise darum, Druck auf die hoch verschuldeten Schieferölproduzenten auszuüben und einige dieser Firmen, die höhere Gewinnschwellen haben, in den Konkurs zu treiben. Allerdings können die US-Produzenten die Produktion flexibel erhöhen, wenn der Ölpreis steigt. Und die stark gehebelten Schieferölfirmen besitzen in den USA hochwertige Anlagen. Selbst wenn die niedrigen Preise also den einen oder anderen in den Konkurs treiben, werden die großen, finanzstarken Firmen diese Anlagen aufkaufen und die Produktion geht weiter.

2) Da der Preis für die Lieferung in sechs Monaten höher ist als der Kassakurs, haben die Produzenten bislang Öl vom Markt zurückgehalten. Die US-Rohöl-Lagerbestände steigen aktuell um etwa zehn Millionen Barrel pro Woche und damit so schnell wie zuletzt im August 1982. Die Lagerbestände in Cushing sind jetzt zu 85 Prozent gefüllt. Je stärker die Lagerhaltungskosten steigen, desto stärker nimmt auch das Angebot im Kassamarkt zu. Zudem sollten die in Ägypten, dem Iran, Malaysia, Indien und Indonesien im Zuge der sinkenden Preise beschlossenen Kürzungen der Kraftstoffsubventionen eine Erholung der Ölnachfrage dieses Jahr dämpfen. All diese Faktoren erhöhen das Risiko weiter fallender Ölpreise.

Aufhebung von Sanktionen gegen Iran könnte Angebot weiter steigen lassen

Wie sich das Angebotsgefüge künftig entwickelt, hängt nicht zuletzt von der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran ab. Wird eine endgültige Vereinbarung mit der P5+1-Gruppe erreicht, könnten die iranischen Exporte um etwa eine Millionen Barrel pro Tag steigen, allerdings wegen des Investitionsstaus im Iran vermutlich nicht vor 2016. Dieser Anstieg und der Export der 30 Millionen Barrel, die der Iran in schwimmenden Lagern vorhält, sollten das weltweite Überangebot erhöhen, wenn die Vereinbarung unterzeichnet wird.

Andere Faktoren könnten den Ölpreis steigen lassen. Zu nennen wären hier ein Scheitern der genannten Verhandlungen, vor allem aber drohende Angebotsunterbrechungen durch geopolitische Entwicklungen im Nahen Osten und besonders eine Eskalation im Jemen, die die großen Ölproduzenten in Mitleidenschaft zieht. Auch ein deutlich stärkeres globales Wachstum, expansivere Geldpolitik, ein positiver Angebotsschock in China oder eine steigende saisonale Ölnachfrage, wenn die Raffinerien ihre Wartungen abgeschlossen haben, könnten in den kommenden Monaten unter Umständen den Druck auf den Ölpreis dämpfen.

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