Dementsprechend hat die am Donnerstag veröffentlichte Umfrage der EU Kommission gezeigt, dass die Konsumenten ihre Erwartungen bezüglich der Preisentwicklung in den nächsten 12 Monaten nochmals nach unten revidiert haben. Arbeitnehmer und Arbeitgeber reagieren ähnlich. Symptomatisch ist daher auch, dass die Durchschnittslöhne beim am Freitag veröffentlichten US-Arbeitsmarktbericht trotz eines weiteren starken Stellenaufbaus zurückgegangen sind. Und genau darin liegt die Gefahr in den meisten Industrieländern. So sind auch die längerfristigen Inflationserwartungen weniger stabil als noch vor einigen Wochen und Monaten. Entsprechend schwieriger wird es für die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Inflationsnorm von knapp 2% zu erreichen. Dies gilt umso mehr, da es absehbar ist, dass die Inflationsraten auch im ganzen ersten Quartal im negativen Bereich bleiben werden. Für das gesamte Jahr 2015 ist ein Wert von durchschnittlich lediglich 0,2% wahrscheinlich. Gekoppelt mit einem schwachen Wachstum bedeutet dies ein nur geringfügiges Wachstum von Einkommen und Gewinnen. Für die in Euroland teilweise hoch verschuldeten Haushalte und Unternehmen wird es so schwieriger, ihre Kredite zu bedienen und ihre Schuldenquoten zu reduzieren. Dies wiederum belastet das Investitions- und Konsumklima, sodass Fortschritte am Arbeitsmarkt sich ebenfalls zäher gestalten werden. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass die EZB wie auch andere Zentralbanken massive Anstrengungen unternehmen, die Preisentwicklung zu beschleunigen. Die Rentenmärkte reflektieren genau das und werden vermutlich noch einige Zeit extrem niedrige Renditeniveaus aufweisen.
Von KARSTEN JUNIUS, Chefvolkswirt, Bank J. Safra Sarasin




