Die längerfristigen Auswirkungen des Griechenlanddebakels und der Übereinkunft mit der Eurogruppe hingegen sehen deutlich weniger positiv aus. Viele Marktbeobachter, darunter der angesehene Volkswirt und Nobelpreisträger Paul Krugman, haben dem vorgeschlagenen Rettungsprogramm ein vernichtendes Urteil ausgesprochen. Der Beurteilung des Rettungsprogramms als ein Zeichen des Versagens der Demokratie und der Aushöhlung der Souveränität lässt sich kaum etwas entgegenhalten. Die griechische Bevölkerung hatte zuvor bereits ein deutlich weniger belastendes wirtschaftliches Reformprogramm in einem Referendum abgelehnt.
Schwerwiegender ist ein Aspekt der Krise, der weit über Griechenland hinausgeht: Wenn überhaupt, werden nur wenige Mitglieder der Eurozone zukünftig den Absichten Deutschlands trauen. Und es wird interessant sein zu beobachten, wie der Umgang der Eurogruppe mit Griechenland die Wähler in Großbritannien beim anstehenden Referendum über die EU-Mitgliedschaft beeinflusst.
Ganz unabhängig davon, welche Meinung zur Griechenlandkrise (oder zu der von der Eurogruppe vorgeschlagenen Übereinkunft) Sie vertreten, ist es unbestreitbar, dass Griechenlands Schuldenlast für das Land kein Stück tragbarer geworden ist. Die Schuldenstandsquote Griechenlands bei einer moderaten Rezession – einem Szenario, das angesichts des Ausmaßes der anstehenden Ausgabenkürzungen alles andere als unwahrscheinlich ist – wird sich in ein paar Jahren immer noch auf völlig untragbare 170 % des BIP belaufen.
Unserer Meinung nach kann Griechenland nur dann ein tragfähiges Schuldenniveau erreichen, wenn eine Umschuldung erfolgt. Selbst der IWF – einer der größten Gläubiger Griechenlands – fordert einen Schuldenerlass in einer Größenordnung, „die deutlich über die bislang angedachte hinausgeht“. Kanzlerin Angela Merkel hingegen hat mehrfach betont, dass ein Schuldenerlass einfach „nicht in Frage kommt“.
In Asien kam es im zweiten Quartal zu einem Einbruch am chinesischen Aktienmarkt. Die Regierung reagierte mit einem Maßnahmenbündel zur Stabilisierung des Markts. Hierzu gehörten Senkungen der Zinsen und der Mindestreserveanforderungen, die Aussetzung von Börsengängen (da Börsengänge die Liquidität am Markt verringern), ein Verbot des Verkaufs von Aktienbeteiligungen durch Großaktionäre für sechs Monate, Restriktionen für Leerverkäufe und Anreize für Banken, Brokerfirmen und Versicherungsunternehmen zum Kauf von Aktien. Auch bei der Effektenkreditvergabe und Sicherheitenstellung wurden die Anforderungen gelockert. Das größte Geschütz wurde jedoch von der chinesischen Zentralbank aufgefahren, die erklärte, „großzügig Liquidität“ zur Verfügung stellen und vor systemischen und regionalen Risiken schützen zu wollen.
Auch wenn der chinesische Aktienmarkt auf kurze Sicht wahrscheinlich weiterhin Schwankungen unterworfen sein wird, dürfte dies unserer Meinung nach relativ wenig Einfluss auf die Realwirtschaft in China haben, da sich die Schwäche am Aktienmarkt vor dem Hintergrund einer geldpolitischen Lockerung abspielt. Es sei daran erinnert, dass die Eigenkapitalfinanzierung in China erst seit Kurzem eine größere Rolle spielt. Banken und Anleihemärkte bilden weiterhin die Hauptquellen der Unternehmensfinanzierung. Der Boom am Aktienmarkt und der aktuelle Einbruch haben nicht lange genug angehalten, um wesentlichen Einfluss auf das Vermögen der Haushalte zu nehmen (und der Aktienmarkt ist gegenüber dem Jahresbeginn 2015 immer noch im Plus). Die einsetzende Erholung am Immobilienmarkt könnte jedoch sehr wohl von den jüngsten Ereignissen beeinträchtigt werden.
Durch die immer wieder neuen Entwicklungen in Griechenland und China spielte der US-Markt bei den Marktteilnehmern in den vergangenen Wochen eher eine Nebenrolle. US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen hat allerdings jetzt das bislang eindeutigste Signal gegeben, dass Zinserhöhungen in den USA denkbar sind und bereits im September ins Haus stehen könnten. Die US-Notenbank vertritt dabei einen anderen Standpunkt als der IWF. Nach dessen Meinung sollten die Zinsen in den USA dieses Jahr unverändert bleiben. Wir haben von Anfang an gesagt, dass der Weg zurück zur Normalität für Märkte und Volkswirtschaften lang und schwierig werden wird. Nun sieht es aber so aus, als ob sich die US-Notenbank in die Startposition begibt.
(Wirtschafts- und Marktkommentar von Mark Burgess, Columbia Threadneedle Investments, CIO EMEA und globaler Aktien-Chef)