Für Hans-Jörg Naumer, Leiter Global Capital Markets & Thematic Research bei AllianzGI, steht fest: „Angesichts negativer bzw. minimaler Anleihezinsen, der demografischen und der technologischen Entwicklung müssen wir über zwei zentrale Herausforderungen neu nachdenken:
Für die unrentierlichen Staatsanleihen muss ein Ersatz zum Aufbau von Vermögen und Vorsorgekapital gefunden werden, und wenn gleichzeitig die menschliche Arbeit und damit das Arbeitseinkommen durch den technologischen Wandel an Bedeutung verliert. Wäre es da nicht sinnvoll Maschinen für Menschen arbeiten zu lassen und Arbeits- durch Kapitaleinkommen zu ergänzen?“ Naumer hat berechnet, dass eine breit angelegte Kapitalbeteiligung der Erwerbstätigen in Deutschland und Europa schon mit kleinen Beiträgen erreicht werden könnte. Eine Modellrechnung auf Basis historischer Daten verdeutlich dies.
Modellrechnung: Wohlstand für alle – auch mit kleinen Beiträgen
Hätte jeder Erwerbstätige von Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und dem Vereinigten Königreich von 1992 bis 2014 monatlich 50 Euro in einen Sparplan mit europäischen Aktien investiert1, würden sie nach Berechnungen von Allianz Global Investors heute ca. 45 % des europäischen Aktienmarktes besitzen2. Die pro Person insgesamt eingesetzten 13.800 Euro hätten in Deutschland trotz zwischenzeitlicher Krisen eine Kapitalrendite von 11,19 % jährlich d.h. insgesamt über 21.000 Euro erwirtschaftet, mehr als die Hälfte davon wäre aus Dividenden geflossen. Dabei zeigt sich, dass neben dem Durchschnittskosteneffekt, der bei Sparplänen für eine Glättung von Kursschwankungen sorgt, auch der Diversifikationseffekt zur Entfaltung gekommen wäre.
Deutschland leicht über europäischen Durchschnitt, Spanien top
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Investoren statt in den europäischen Aktienmarkt in ihren jeweiligen nationalen Markt investiert hätten. Mit 33.061 Euro Kapitaleinkommen, davon 21.608 Euro Dividendenzahlungen, und einer Rendite von jährlich 14,34 % hätten Anleger in Spanien am besten abgeschnitten. Der deutsche Aktienmarkt hat mit knapp 12 % p.a. etwas besser als der europäische Markt abgeschnitten. Die italienischen Investoren wären mit einer Rendite von 9,10 % p.a. Schlusslicht geworden. Ohne die Dividendenzahlungen von 8.299 Euro wäre der Saldo in Italien negativ ausgefallen.
Regelmäßiges Kapitaleinkommen und Vermögensaufbau
Der Effekt für die Kapitaleinkünfte wäre beachtlich. Angenommen ein Investor hätte über die gesamten 22 Jahre in den Sparplan eingezahlt und hätte alles reinvestiert, so würde er heute etwas großzügig gerundet über 40.000 Euro verfügen. Bei einer Dividendenrendite von 3 % würde er jedes Jahr einen „Aktienzins“ (Dividende) von 1.200 Euro erhalten – das sind 100 Euro im Monat. „Eine schöne Aufbesserung der Rente, oder?“ meint Naumer.
Die Kapitalmarktanalysten haben auch die Auswirkungen für den Vermögensaufbau untersucht. Mit nur 50 Euro monatlich besäßen die Erwerbstätigen der fünf untersuchten Länder heute rund 45 % der börsennotierten Unternehmen in Europa3, rund 2,5 Billionen Euro. „Ist die Piketty‘sche Kritik der Kapitalakkumulation4 letztlich nicht auch eine Kritik, dass zu wenige Menschen am unternehmerischen Kapital und damit an der daraus resultierenden Risikoprämie beteiligt werden?“ fragt Naumer. Für ihn steht fest: „Wohlstand für alle ist möglich, auch mit kleinen Beiträgen.“
1Die Rechnung wurde für Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien sowie Europa insgesamt durchgeführt.
2Der jeweilige MSCI-Index wurde aufgrund der breiten Abdeckung der jeweiligen Aktienmärkte wurde dabei als Vergleichsmaßstab herangezogen.
3Gemessen am MSCI Europa
4Naumer nimmt dabei Bezug auf das viel diskutierte Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty.