Der Hauptgrund für Abe, den Zeitplan für die Wahlen zu beschleunigen – neben seiner Bereitschaft, den politischen Druck auf Nordkorea zu verstärken – ist das Abklären der Wählerstimmung in Bezug auf die Verwendung der Erlöse aus der geplanten Konsumsteuererhöhung.
Die japanische Konsumsteuer wird voraussichtlich im Oktober 2019 von acht auf zehn Prozent erhöht, was zu zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von fünf Billionen Yen (45 Milliarden US-Dollar) führen würde. Ursprünglich hatte die Regierung vier Billionen Yen zur Tilgung der Staatsverschuldung und eine weitere Billion Yen für soziale Dienste vorgesehen.
Nun plant Abe, zwei Billionen Yen (18 Milliarden US-Dollar) für Bildungs- und Pflegedienste auszugeben – insbesondere für kostenlose Kinderbetreuungsdienste und Kindergärten für zwei bis fünfjährige, kostenlose Schulgebühren für einkommensschwache Haushalte sowie eine Gehaltserhöhung für Pflegekräfte. Dies würde zu einer Verringerung der Schuldentilgung führen, sodass die Regierung ihr Ziel, bis 2020 einen Primärbilanzüberschuss wiederzuerlangen, möglicherweise verschieben müsste.
Potentieller politischer Gegenwind
Die von Abe geforderte zügige Neuwahl steht offensichtlich im Zusammenhang mit seiner Überzeugung, dass zurzeit die Chancen für einen klaren Sieg seiner Partei, der Liberal-Demokratischen Partei (LDP), sehr gut stehen. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage würde die LDP auf etwa 44 Prozent Stimmen kommen, während andere Parteien im Nationalen Parlament nicht mehr als zehn Prozent erreichen.
Unterdessen ereignete sich am selben Tag von Abes Wahlankündigung ein interessantes Ereignis: Yuriko Koike, die Gouverneurin von Tokio, verkündete die Gründung der „Partei der Hoffnung“. Die neue konservative Partei hat derzeit 15 Mitglieder und wird in den kommenden Wochen wohl weiter wachsen.
Yuriko Koike wurde im August 2016 mit einem Erdrutschsieg zur Gouverneurin von Tokio gewählt. Im Mai 2017 schloss sie sich mit der Mitte-Rechts-Partei Komeito zusammen und übernahm die Mehrheit bei den Präfekturwahlen im Juli 201 von der LDP. Koike kündigte an, die Partei der Hoffnung werde sich der geplanten Erhöhung der Konsumsteuer widersetzen und schlug vor, diese zu verschieben, „bis die Nation den wirtschaftlichen Aufschwung im Alltag spürt“. Obwohl ihr politischer Appell und die Dynamik ihrer neuen Partei Gegenwind für Abes Regierung darstellt, wird die aufkeimende Bewegung wahrscheinlich nicht stark genug sein, um die Dynamik der Neuwahlen zu verändern.
Märkte werden wohl nicht betroffen sein
Aufgrund der aktuellen politischen Situation in Japan gehen wir davon aus, dass die kommende Wahl wahrscheinlich keinen signifikanten Einfluss auf die lokalen Aktienmärkte haben wird. Wir erwarten, dass die LDP gemeinsam mit der alliierten Komeito eine Mehrheit erreichen wird. Selbst wenn Abe etwas an Macht verlieren oder von einem anderen Parteichef abgelöst werden sollte, gehen wir davon aus, dass seine Wirtschaftspolitik von seinen Nachfolgern innerhalb der Partei weitergeführt wird.
Aus Bottom up-Perspektive stechen die Ertragsrevisionen in Japan im Vergleich zu anderen entwickelten Märkten heraus. Dies ist nicht zuletzt auch als Resultat der soliden weltweiten Erholung und der Anstrengungen der Unternehmen, ihre Margen zu verbessern. Darüber hinaus sorgen die Auslandsnachfrage, die Inlandsproduktion, der Konsum und die öffentlichen Ausgaben derzeit für Rückenwind. Einige Sektoren im Bereich der Kinderbetreuung und des Pflegedienstes könnten bei Annahme der geplanten Konjunkturpakete überproportional stark wachsen, deren Größe ist allerdings überschaubar. Für die meisten anderen Sektoren dürften die Auswirkungen zumindest in absehbarer Zeit gering sein.
Die Spannungen mit Nordkorea geben jedoch nach wie vor Anlass zur Sorge und stellen die guten Fundamentaldaten Japans in den Schatten. Der Aktienmarkt stagnierte in den vergangenen Monaten trotz hoher Unternehmensgewinne. Die bevorstehende Wahl könnte zu mehr politischer Stabilität für Japan führen und die angespannte geopolitische Situation etwas mildern.
(GAM)